75 Jahre METALL NRW Festschrift

98 75 Jahre METALL NRW AUS JOURNALISTISCHER PERSPEKTIVE Dr. Antje Höning – Rheinische Post AUCH NRW KANN ABSCHLÜSSE Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie sind etwas Besonderes: Weil es um den wichtigsten Industriezweig Deutschlands geht, der alleine in NRW 450.000 gute Arbeits- und Ausbildungsplätze bereitstellt und für Innovationen sorgt. Weil es um eine Branche geht, die die Lokomotive der Konjunktur und der Tarifpolitik ist. Hier mussten die Verhandlungspartner alle Jahre wieder einen Abschluss erringen, in dem sich die starken Mittelständler ebenso wiederfinden wie ein angeschlagener Ford-Konzern, ein Porsche ebenso wie der kleine Betrieb im Ruhrgebiet. Nicht von ungefähr wurde diese Branche zum Vorreiter bei Tarifverträgen mit Öffnungsklauseln. Das Pforzheimer Abkommen 2004 bot maladen Betrieben erstmals die Möglichkeit, im großen Stil vom Flächentarifvertrag abzuweichen – und trotzdem tarifgebunden zu bleiben. Ersonnen wurde das Ganze zwar im Südwesten, hätte aber auch in Nordrhein-Westfalen gezimmert werden können. Martin Kannegiesser und Harald Schartau hatten 2000 in ähnlichem Geiste verhandelt und den Pilotabschluss gefunden. Weil die Branche es mit der IG Metall und damit einer besonders kampfeslustigen Gewerkschaft zu tun hat, auch wenn diese am Ende – und das anders als Verdi – meist gesamtwirtschaftliche Verantwortung zeigt. Das war nicht immer so: Bisweilen lähmten interne Machtkämpfe der IG Metall – wie bei dem erbitterten Duell Berthold Huber gegen Jürgen Peters – die Tarifverhandlungen. Für das Publikum und die Journalisten war das unterhaltsam, für die Beteiligten anstrengend. Enervierend war dagegen die alljährliche Arbeitskampf-Folklore: Ohne rote Fahnen, brennende Ölfässer und Warnstreiks auf der einen Seite und „Erstmal legen wir kein Angebot vor“ auf der anderen Seite ging keine Tarifrunde ab. Gerne verhandelte man die Nächte durch, um der eigenen Klientel jeweils zu zeigen, wie hart gerungen worden war. Floskeln wie „schmerzhafter Kompromiss“ und „ans Äußerste gegangen“ gehörten zum übernächtigten Auftritt nach der Einigung dazu.

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