84 75 Jahre METALL NRW AUS JOURNALISTISCHER PERSPEKTIVE Tarifauseinandersetzungen und das Verhältnis der Tarifpartner zu jeder Zeit sind aus journalistischer Sicht so etwas wie die Weihnachtsausgabe oder die Bilanzsaison. Jeder weiß, dass sie kommen, jeder Redakteur hat sie schon einmal begleitet. Und doch ist es stets ein Blick in eine schwarze Box. Wie wird es laufen? Wer sitzt diesmal am längeren Hebel? Wie geht es aus und vor allem: Wird die Volkswirtschaft unseres Industrie-Bundeslandes daran Schaden nehmen? Darüber zu schreiben, ist eine Kunst. Denn es besteht die Gefahr, den StandardForderungen und -Mahnungen anheimzufallen. Für Zeitungs-Volontäre mögen Überschriften wie „Gewerkschaften fordern mehr Lohn“ oder „Gutes Geld für gute Arbeit“ genauso plakativ erscheinen wie „Arbeitgeber rufen zu Mäßigung auf“. In Wahrheit sind dies natürlich Plattitüden. Jeder Arbeitskampf, ob in den Bereichen Metall, Elektro, Dienstleistung oder Öffentlicher Dienst, könnte so überschrieben werden. Also gilt es, die Zwischentöne herauszufiltern. Doch das ist leichter gesagt als aufgeschrieben. Denn Tarifverhandlungen und außerhalb dieser das Agieren von Arbeitgeberschaft auf der einen und Gewerkschaften auf der anderen Seite sind aus Reportersicht eine große Nebelbank mit Scheinfeuern von beiden Seiten. Man muss auf die Zwischentöne achten. Man muss ein vertrauensvolles, persönliches Verhältnis zu den Akteuren aufbauen und am allerwichtigsten: Man muss bei aller Meinungsstärke in der entscheidenden Phase die Neutralität wahren. Das gelingt nicht immer. Manchmal auch nur aus Unachtsamkeit. Im Frühjahr 2020 führte ich wie so oft ein Interview mit dem Präsidenten von unternehmer nrw und Metall NRW, Arndt Kirchhoff. Ein journalistischer Rundumschlag über alle Aspekte der Tarifpartnerschaft, die Sorgen und Nöte der Firmen, Ethik im Unternehmertum, Geschlechter im Beruf und die Fehler der Gewerkschaften und der Politik – im Allgemeinen wohlgemerkt. Thorsten Breitkopf – Kölner Stadt-Anzeiger OFT EINE FRAGE DES TIMINGS
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