75 Jahre METALL NRW Festschrift

78 75 Jahre METALL NRW IMPRESSIONEN Ungewöhnlicher Ort für eine Tarifverhandlung: Arndt G. Kirchhoff und Knut Giesler unterzeichen den Pilotabschluss im März 2020 in der Corona-Pandemie im Düsseldorfer Verbandshaus von METALL NRW Süddeutsche Zeitung, 21.3.2020 Knut Giesler, 55, undArndt G. Kirchhoff,65, haben drei Millionen Menschen womöglich ihren Job und 80 Prozent ihres Gehalts gerettet. Giesler ist Bezirksleiter der IGMetall in Nordrhein-Westfalen, Kirchhoff der Präsident der Metall-Arbeitgeber dort. Die beiden präsentierten am Freitag in einer Telefonkonferenz, worauf sie sich am Abend zuvor in Düsseldorf geeinigt haben: einen Tarifabschluss für die Metall- und Elektroindustrie. Formell gilt er nur für NRW, faktisch handelt es sich um einen „Pilotabschluss“. In den meisten anderen Bundesländern wird er wohl übernommen, nur die Arbeitgeber in Baden-Württemberg zögern noch. Die Tarifeinkommen werden in diesem Jahr nicht erhöht; stattdessen einigten sich Giesler und Kirchhoff darauf, wie sie die Existenzängste vieler Mitarbeiter und vieler Betriebe mildern können. Deshalb werden sie Urlaubs- und Weihnachtsgeld diesmal nicht gesondert auszahlen, sondern in jedemMonat jeweils zu einem Zwölftel. Das hat zwei Vorteile: Wird jemand in Kurzarbeit geschickt, bekommt er von der Bundesagentur für Arbeit jeweils 60 Prozent seines Netto-Monatslohns als Kurzarbeitergeld, wer Kinder hat, kriegt 67 Prozent. Indem nun das Monatseinkommen durch die aufgeteilte Zahlung steigt, erhöht sich folglich auch das Kurzarbeitergeld. Nun dürften 80Prozent des bisherigen Nettolohns als Kurzarbeitergeld fließen. Für die Betriebe besteht der Vorteil darin, dass sie sich die Sozialversicherungsbeiträge sparen – die sonst immer dann fällig werden, wenn eine Zahlung als Urlaubs- oder Weihnachtsgeld ausgewiesen ist. Der Abschluss, den Giesler und Kirchhoff erzielt haben, enthält noch zwei weitere Komponenten: Jeder Betrieb legt einen Härtefonds auf – mit einem Betrag, der sich aus der Zahl seiner Beschäftigten multipliziert mit 350 Euro errechnet. Geschäftsführung und Betriebsrat entscheiden gemeinsam, wer das Geld bekommt: Mitarbeiter, die nicht in Kurzarbeit müssen, bekommen wahrscheinlich nichts, die anderen umso mehr. Je nachdem, wie es ihrem Betrieb zum Jahresende geht, darf das Geld auch in der Firmenkasse verbleiben. Und wer Kinder bis zum Alter von zwölf Jahren hat, die nun daheim sind, bekommt fünf zusätzliche, bezahlte Tage frei – sofern aller Resturlaub bereits genommen ist und man auch bereit ist, beim eigenen Arbeitszeitkonto 21 Stunden ins Minus zu gehen. Eigentlich hätte die Tarifrunde noch mindestens bis April gedauert. Doch angesichts der Corona-Dramatik nutzten Giesler und Kirchhoff ihren Draht zueinander, um innerhalb von drei Tagen eine Lösung zu finden – unbegleitet von jeder Öffentlichkeit. „Wir wollten Verantwortung übernehmen und Sicherheit schaffen“, sagte Giesler am Freitag, nachdem es geschafft war. Sein Verhandlungspartner Kirchhoff fügte an: „Wir wollen die Belegschaften komplett halten“, schon wegen des Fachkräftemangels, der sich ja wegen Corona nicht erledigt habe. Ihr Tarifvertrag gilt bis Jahresende. Seite 4 So nah standen sie diesmal nicht beieinander: Knut Giesler (links) und Arndt G. Kirchhoff bei einem früheren Treffen. FOTO: DPA Alte Bekannte Süddeutsche Zeitung WIRTSCHAFT Samstag, 21. März 2020 Personalien München Seite 22, Nord Seite 22 Foto: METALL NRW

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