75 Jahre METALL NRW Festschrift

53 75 Jahre METALL NRW AUS UNSERER GESCHICHTE aber auch die anderen Tarifgebiete haben gut erkennbare Spuren bei der Bestimmung der Arbeitsbedingungen in Deutschland gezogen. Mit Blick auf Metall NRW ist an die sich über 20 Jahre hinziehenden Verhandlungen zur Findung eines modernen Entgeltrahmenabkommens zu denken. Hier hat sich der Verband mit der Erfindung und Durchsetzung der sogenannten Profilbewertung zur Eingruppierung, einem Verfahren, das Summarik und Analytik verbindet, einen Namen gemacht. Die Profilbewertung und die in NRW ausgehandelten Entgeltlinien wurden zur Blaupause für viele andere Abschlüsse im Bundesgebiet. Ein weiteres, die Tariflandschaft geradezu revolutionierendes Phänomen hat seine gut verborgenen Wurzeln in NRW. In dem 2004 mit der IG Metall geschlossenen „Pforzheimer Abkommen“ wird festgelegt, dass in besonderen betrieblichen Situationen durch betriebsbezogene Verbandstarife vom allgemeinen Tarifvertrag abgewichen werden kann, etwa um Investitionen zu ermöglichen oder existenzbedrohende Gefahren für ein Unternehmen abzuwenden. Was da in Pforzheim mit Wirkung für die ganze Republik vereinbart wurde, war im vom Strukturwandel gebeutelten NRW schon seit Mitte der 1990er Jahre gängige Praxis. Hier halfen die Tarifpartner Unternehmen in schwieriger Lage getreu dem Grundsatz, dass diejenigen, die einen allgemeinen Tarifvertrag geschlossen haben, auch jederzeit im Konsens Abweichungen von dessen Regelungen zulassen können. Meist setzten diese Abweichungen bei der tariflichen Regelarbeitszeit an. Über Arbeitszeitverlängerungen mit oder ohne Entgeltausgleich meist gegen Beschäftigungssicherung wurde manchem Unternehmen in NRW über schwierige Zeiten hinweggeholfen. Dass diese in NRW eingespielte Praxis nach Abschluss des Pforzheimer Abkommens nur noch mit Genehmigung durch die Zentrale der IG Metall in Frankfurt möglich sein sollte, hat in NRW nicht nur Begeisterung ausgelöst. Per Saldo hat die Praxis der Sondertarifverträge in betrieblichen Sondersituationen einen Vertrauensgewinn bei den Mitgliedern zu ihren Organisationen bewirkt. Das gilt für die Gewerkschaft wie für die Arbeitgeberverbände gleichermaßen. Sie wurde als wirklich betriebsnahe Tarifpolitik wahrgenommen. Nicht selten haben Beschäftigte, die unter einen Sondertarif fielen, dies durch ihren Eintritt in die Gewerkschaft honoriert. Sie nahmen längere Arbeitszeiten gern in Kauf, wenn dadurch ihr Arbeits-

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