75 Jahre METALL NRW Festschrift

110 75 Jahre METALL NRW AUS JOURNALISTISCHER PERSPEKTIVE Frank Specht geboren 1970 im westfälischen Lengerich, hat in Münster Publizistik studiert. Seit 2000 arbeitet er für das Handelsblatt. Zunächst war er lange in der Düsseldorfer Zentrale tätig, seit 2014 berichtet er aus Berlin über die Themen Arbeitsmarkt- und Tarifpolitik, Soziales und Verteidigung. Foto: privat Glanz wie in früheren Jahren. Wenn es aber nicht gelingt, Deutschland als Standort für die Metall- und Elektroindustrie mit ihrer tiefen Wertschöpfung und ihren hohen Gehältern zu erhalten, dann hätte das fatale Auswirkungen auf die Volkswirtschaft insgesamt. Als wäre das noch nicht Herausforderung genug, setzen die durch Russlands Angriffskrieg in der Ukraine ausgelöste Energiepreisexplosion und der sich verschärfende Systemwettbewerb mit China die Metall- und Elektroindustrie zusätzlich unter Druck. In dieser Gemengelage ist es gut, dass es den eingeübten sozialpartnerschaftlichen Interessenausgleich zwischen Arbeit und Kapital gibt. Standort- und Beschäftigungssicherung lassen sich ebenso per Tarifvertrag regeln wie der Ausgleich der ausufernden Inflation. Zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften ausgehandelte Lösungen sind meist pass- und zielgenauer als staatliche Rettungsanker oder Förderprogramme. Im stark mittelständisch geprägten Nordrhein-Westfalen kommt den Tarifparteien dabei noch die besondere Aufgabe zu, immer wieder daran zu erinnern, dass die Metall- und Elektroindustrie nicht nur aus Siemens, Bosch oder Daimler besteht. Die Interessen der vielen kleinen und mittleren Betriebe, die den Erfolg der Großen oft erst möglich machen, wollen ebenso berücksichtigt werden. Zur Wahrheit gehört aber auch: Der Problemlösungsanspruch der Tarifparteien steht heute so stark infrage wie nie zuvor in der 75-jährigen Geschichte von Metall NRW. Denn Kollektivvereinbarungen verlieren an Legitimität, wenn das Kollektiv immer kleiner wird. Gelingt es nicht, den Mitgliederschwund auf Gewerkschaftsseite und die sinkende Tarifbindung bei den Unternehmen aufzuhalten, steht die Sozialpartnerschaft irgendwann vor der Existenzfrage. Metall NRW und IG Metall haben die Pandemie bewältigt. Da sollten sie doch eigentlich auch in der Lage sein, die Krise vor der eigenen Haustür zu lösen.

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