75 Jahre METALL NRW Festschrift

109 75 Jahre METALL NRW AUS JOURNALISTISCHER PERSPEKTIVE Frank Specht – Handelsblatt EINGEÜBTER SOZIALPARTNERSCHAFTLICHER INTERESSENAUSGLEICH Das Jahr 2020 versprach ein ganz gewöhnliches zu werden. Ein Virus aus dem fernen China schaffte es nur gelegentlich in die Nachrichten, bis es Ende Januar auch in Deutschland erstmals festgestellt wurde. Danach ging alles ganz schnell. Die Menschen feierten noch unbeschwert Karneval, und kurze Zeit später erlangte der nordrhein-westfälische Kreis Heinsberg traurige Berühmtheit als erster Corona-Hotspot in Deutschland. Was folgte, ist bekannt. Die Metall-Tarifparteien in Nordrhein-Westfalen haben damals sehr weitsichtig erkannt, dass an ein normales Leben so bald nicht mehr zu denken sein würde. Geschweige denn an die reguläre Fortsetzung der damals bereits gestarteten Tarifrunde. Am 20. März – zwei Tage nach Angela Merkels „Es ist ernst“-Ansprache und zwei Tage vor dem ersten Lockdown in Deutschland – einigten sich Arndt Kirchhoff und Knut Giesler auf den ersten Krisentarifabschluss. Gut ein Jahr später trugen die beiden Protagonisten immer noch Maske, als sie den Anschlusstarifvertrag besiegelten, der die Metall- und Elektroindustrie durch das zweite und dritte Pandemiejahr bringen sollte. Die Tarifparteien in NRW konnten damals von einem über Jahre aufgebauten Vertrauensverhältnis zehren. Dass sich die Sozialpartnerschaft in einer der größten Krisen der Nachkriegsgeschichte so vorbildlich bewährt hat, macht Mut, dass der regelgeleitete Interessenausgleich auch bei anderen Herausforderungen gelingt. Und die sind zahlreich. Man erinnere sich, dass die 2020 dann zunächst abgebrochene Tarifrunde schon ganz unter dem Eindruck des gewaltigen Strukturwandels stand, mit dem sich Deutschlands industrielle Schlüsselbranche konfrontiert sieht. Digitalisierung und Dekarbonisierung stellen alte Gewissheiten infrage und lange erfolgreiche Geschäftsmodelle vor die Bewährungsprobe. Neue Wettbewerber wie Tesla treten auf den Plan, das Gütesiegel „Made in Germany“ hat nicht mehr den

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