75 Jahre METALL NRW Festschrift

101 75 Jahre METALL NRW AUS JOURNALISTISCHER PERSPEKTIVE Giesler und sein Pendant Arndt Kirchhoff geben kurze Statements ab, der Wille zur Einigung wird herausgestellt. Kirchhoff betont, beide Seiten verfügten über einen „großen Werkzeugkasten“. Es ist Nachmittag, Agenturen müssen erste größere Meldungen absetzen. Zeitungen wollen für die Ausgabe am Freitag gefüttert werden, bei überregionalen Blättern naht der Redaktionsschluss. Die Verhandlungen werden unterbrochen, um 20 Uhr soll es weitergehen. Die richtigen Instrumente aus dem Werkzeugkasten sind noch nicht gefunden. Die Zahl der in einem Presseraum weitab der Verhandlungsrunde anwesenden Medienvertreter verringert sich. Die Stimmung wirkt etwas gedrückt. Einige Kollegen haben Schichtwechsel. Ich bleibe. Wenn man eine Verhandlungsrunde von Anfang an begleitet, sollte man sie zu Ende bringen. Man kennt die Protagonisten und die Hotelgänge, auf denen man sie treffen könnte. Handynummern hoffentlich gut informierter Teilnehmer sind auch nützlich. Es geht um die Jagd nach dem entscheidenden Halbsatz. Dann kann man mit Glück vor der Konkurrenz die Eilmeldung schicken. Kurz nach Mitternacht sagen Insider, dass es Probleme und kein Ergebnis gibt. Das ist eine Nachricht – Kunden wie der Deutschlandfunk wollen auch in der Nacht berichten können. Die rund um die Uhr besetzte Reuters-Zentrale gibt die Meldung heraus. Zu vorgerückter Stunde hilft das Vier-Augen-Prinzip, Fehler übermüdeter Kollegen zu vermeiden. Die Morgenröte naht. Um 05:29 Uhr vermeldet Reuters aus Verhandlungskreisen – manchmal steht man im richtigen Hotelgang –, dass sich ein Ergebnis abzeichnet. Die Einigung sickert indes nicht in Köln durch, Gesamtmetall verkündet sie vielmehr im Morgenmagazin. Pech für die Journalisten, die über Nacht vor Ort ausgeharrt haben. Eine Pressekonferenz folgt, es gibt noch Details des Abschlusses zu vermelden. Dieser umfasst 4,8 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von 21 Monaten. Für Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger ist damit die „Grenze des gerade noch Erträglichen“ erreicht. Für einige Kollegen, die den Verhandlungsmarathon begleitet haben, auch. Auf dem Heimweg hält man sich im Stau mit dem Gedanken wach, dass andere Verkehrsteilnehmer ihren Arbeitstag noch vor sich haben. Matthias Inverardi geboren 1966 in Frankfurt/Main, arbeitete nach seinem Studium der Politik, Amerikanistik und Germanistik als freier Mitarbeiter unter anderem bei der Frankfurter Rundschau, dem Hessischen Rundfunk und der Offenbach Post, bevor er 1993 zur Nachrichtenagentur Thomson Reuters wechselte. Nach Stationen in Frankfurt, Bonn, München und Brüssel arbeitet er seit 2002 als Leiter des Düsseldorfer Büros. Foto: Thomson Reuters

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