75 Jahre METALL NRW Festschrift

TARIFPARTNERSCHAFT IM WANDEL DER ZEIT 75 Jahre METALL NRW

TARIFPARTNERSCHAFT IM WANDEL DER ZEIT 75 Jahre METALL NRW

2 75 Jahre METALL NRW INHALT INHALT 75 Jahre METALL NRW – Rückblick und Ausblick Arndt G. Kirchhoff | Johannes Pöttering 4 EDITORIAL 4 Hendrik Wüst MdL, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 12 Mona Neubaur MdL, Stellv. Ministerpräsidentin und Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen 13 Karl-Josef Laumann MdL, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen 15 AUS DER POLITIK 10 Wichtige Weichenstellungen im Westen Dr. Stefan Wolf – Präsident Gesamtmetall 20 Sozialpartnerschaft als Stabilitätsanker und Gestaltungskraft Knut Giesler – Bezirksleiter IG Metall NRW 23 AUS DER TARIFPARTNERSCHAFT 18 Die 26 Mitgliedsverbände 30 Gemeinsam Tarifpolitik für die bergische Region gestalten Dr. Roman Diederichs | Horst Gabriel | Michael Vitz – Bergisches Land 31 Flächentarif muss mittelstandstauglicher werden Dr.-Ing. Ernst Wolf – Münsterland/OWL 34 Kommunikation – der kritische Erfolgsfaktor von Tarifrunden Dr. Margarete Haase – Rheinland 36 Tarifpolitik – eine Sache für Unternehmer! Friedrich-Wilhelm Wengeler – Ruhrgebiet 38 Am Ende brauchen wir uns gegenseitig Egbert Neuhaus – Südwestfalen 40 AUS DEN REGIONEN 28

3 75 Jahre METALL NRW INHALT Der lange Weg ins Cockpit Dr. iur. Luitwin Mallmann 46 AUS UNSERER GESCHICHTE 44 Oft eine Frage des Timings Thorsten Breitkopf – Kölner Stadt-Anzeiger 84 Ausgleichende Kräfte in rauem Klima Dietrich Creutzburg – Frankfurter Allgemeine Zeitung 86 Schmerz ist okay Detlef Esslinger – Süddeutsche Zeitung 88 In Düsseldorf sind schrille Töne selten Alfons Frese – Der Tagesspiegel 91 Sozialpartnerschaft – ein Glücksfall für unser Land Markus Gürne – ARD 93 Das Spiel muss stattgefunden haben Jens Helmecke – Westfalenpost 95 Auch NRW kann Abschlüsse Dr. Antje Höning – Rheinische Post 98 Die Jagd nach dem entscheidenden Halbsatz Matthias Inverardi – Thomson Reuters 100 Kleinklein, aber fein – Tarifautonomie in Zeiten des Umbruchs Wolfgang Landmesser – WDR 102 Wer die Tarifautonomie bewahren will, muss Neues wagen Matthias Schiermeyer – Stuttgarter Zeitung 104 Vier-Gänge-Menü, Mettbrötchen und eine verkehrte Welt Stefan Schulte – Westdeutsche Allgemeine Zeitung 106 Eingeübter sozialpartnerschaftlicher Interessenausgleich Frank Specht – Handelsblatt 109 AUS JOURNALISTISCHER PERSPEKTIVE 82 IMPRESSIONEN IN WORT UND BILD 60 Die Präsidenten 114 Die Hauptgeschäftsführer 115 Die Verhandlungsführer 116 Die Mitglieder des Vorstandsrates 116 AUS DEN GREMIEN 112

Arbeitgeberverbände sind in unserem demokratischen Rechtsstaat, in unserer Sozialen Marktwirtschaft mit der vom Grundgesetz garantierten Tarifautonomie ein unverzichtbarer Bestandteil einer freien und pluralistischen Gesellschaft. Und wer in der Geschichte der Bundesrepublik blättert, wird feststellen, dass Arbeitgeberverbände entlang aller Dekaden bis heute wesentlich zur wirtschaftlichen, sozialen und damit auch zur politischen Stabilität beigetragen haben. Für die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie, dem größten Industriezweig unseres Landes, gilt dies im Besonderen. Es war der 27. Juni 1948, kurz nach der Währungsreform, als die damals bereits bestehenden 35 bezirklichen Einzelverbände den Arbeitgeber-Ausschuß Metall Nordrhein-Westfalen gründeten, den späteren Verband metallindustrieller Arbeitgeberverbände Nordrhein-Westfalen. Ziel des Zusammenschlusses der damaligen Bezirksverbände in der neuen Landesorganisation war es, im Metallbereich für Nordrhein-Westfalen einheitliche Tarifverträge sicherzustellen. Der Wunsch nach einer landeseinheitlichen Verbandstarifpolitik setzte allerdings eines voraus: den Verzicht der Einzelverbände auf ihre bisherige Tarifhoheit. Dies wurde dann ein Jahr später im Jahr 1949 erreicht, nachdem alle Verbandsvorsitzenden eingewilligt hatten, den Landesverband für tariffähig zu erklären. Die Entscheidung von damals hat bis heute Bestand. Und bei allen unverkennbaren landsmannschaftlichen Unterschieden zwischen Rheinländern, Westfalen und Lippe-Detmoldern ist METALL NRW im Laufe der Dekaden zu einer homogenen Einheit zusammengewachsen – in einem miteinander gepflegten Umgang, der stets offen und schnörkellos, mitunter hemdsärmelig, aber immer herzlich ist. Sozusagen ein Abbild der Menschen in Nordrhein-Westfalen. Wer auf die nunmehr 75 Jahre des – wie er heute heißt – Verbandes der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen (METALL NRW) schaut, der blickt auch auf einen bedeutenden Teil der Geschichte unseres Landes: massive Umbrüche 4 75 Jahre METALL NRW EDITORIAL 75 Jahre METALL NRW – Rückblick und Ausblick EDITORIAL

unserer Wirtschaftsstruktur, gesellschaftspolitische Veränderungsprozesse und mittendrin ein Auf und Ab unserer Industrie mit ihren vielen Tausend zumeist mittelständischen Familienunternehmen mit inzwischen rund 700.000 Beschäftigten. Der Blick in den Rückspiegel zeigt auch, dass METALL NRW wie nur wenige andere Arbeitgeberverbände in der deutschen Metall- und Elektroindustrie im Laufe der Jahrzehnte immer wieder die Verantwortung für dann bundesweit geltende Tarifabschlüsse übernommen hat und ihr auch gerecht geworden ist. Es konnte dabei immer wieder gelingen, viel Gutes für das Renommee des Flächentarifvertrages zu tun – gerade auch als Stimme des unsere Industrie hierzulande so prägenden familiengeführten Mittelstandes. Im steten Bemühen um einen fairen Ausgleich mit der IGMetall haben Generationen von Unternehmerinnen und Unternehmern in Nordrhein-Westfalen wiederholt Tarifabschlüsse erwirkt, die mehr Flexibilität geschenkt, viel beachtete Antworten in schweren Krisenzeiten gefunden und für Hunderttausende von Beschäftigten eine faire Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg ermöglicht haben. Und immer wieder waren sie beharrlich, damit wichtige tarifpolitische Ziele aus NRW auch Einzug in den bundesweiten Instrumentenkasten finden konnten – wie zuletzt bei der automatischen Differenzierung. Diese Erfolge der Vergangenheit von Sozialpartnerschaft und Tarifautonomie dürfen aber nicht den Blick davor verstellen, dass der Flächentarif auch in unserem Industriezweig zunehmend unter Druck gerät. Die Gewissheit, mit einer unter dem Strich klugen Tarifpolitik zumWohlstand in Deutschland beigetragen und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Metall- und Elektroindustrie gestärkt zu haben, darf uns nicht vergessen lassen, dass die Herausforderungen der nächsten Jahre massiv sind und überdies immer wieder Verteilungskämpfe drohen. Wir leben in ruppigen Zeiten. Wir feiern 75 Jahre METALL NRW in einem Jahr, in dem Krieg in Europa herrscht. Wir erleben eine Industrie, die sich nach fast drei Jahren Pandemie neu sortieren muss. Und in dieser Situation werden wir auch tarifpolitisch geeignete Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit finden müssen: auf die schwierige demografische Entwicklung und als deren Folge den Fachkräftemangel, auf die massiven Veränderungen in der Arbeitswelt, auf die zunehmende Heterogenität unserer Industrie sowie ohnehin jederzeit auf konjunkturelle, immer mehr aber auch auf strukturelle Fragen. 5 75 Jahre METALL NRW EDITORIAL

Hier werden wir uns als Tarifvertragsparteien mächtig anstrengen müssen. Wir alle wissen, dass Tarifergebnisse immer der Spagat zwischen den Erwartungen und dem Verkraftbaren sind. Unternehmer kennen das auch aus Preisverhandlungen, aus denen man selten so herauskommt, wie man hineingegangen ist. Wichtig bleibt es, auch in künftigen Tarifrunden Vernunft zu beweisen und ganz nah an den wirtschaftlichen Realitäten zu verhandeln. Wenn uns das gelingt, werden auch unsere Mitglieder bei uns bleiben. Doch daran müssen wir nach jeder Tarifrunde aufs Neue hart arbeiten: Wir beobachten ganz generell, dass die Bindungskraft von Institutionen in unserer Gesellschaft abnimmt – denken wir an Parteien, an Kirchen, an das Vereinsleben. Aus dieser Perspektive betrachtet ist die von Teilen der Politik und auch der Gewerkschaften beklagte Entwicklung einer nachlassenden Tarifbindung eigentlich keine Überraschung. Doch in unserer Industrie kommt erschwerend hinzu, dass Differenzierung und Diversifizierung quer durch alle Regionen, Branchen und Betriebsgrößen zunehmen. Unsere Unternehmen gucken immer genauer hin und prüfen, ob das Produkt noch stimmt, und kaufen es erst dann. Denn ein wichtiger Punkt darf in dieser Debatte nie vergessen werden: Im Gegensatz zur Pflichtmitgliedschaft in den Kammern sind Arbeitgeberverbände Veranstaltungen, die von ihren Mitgliedern freiwillig besucht werden. Das Eintrittsgeld, den Mitgliedsbeitrag, entrichten Unternehmen nur dann, wenn das Produkt gut und attraktiv ist. Unsere Mitglieder bleiben dann in unseren Verbänden, wenn sie sich darauf verlassen können, dass geschlossene Tarifverträge in ihrer Umsetzung für Ruhe sorgen. Betrieblicher Frieden und eine möglichst lange und verlässliche Planungssicherheit während der Laufzeit eines Vertrages sind jene Assets, die Unternehmen freiwillige Mitgliedschaften in einem Tarifträgerverband eingehen lassen. Überdies brauchen sie das grundsätzliche Vertrauen, dass die IG Metall sie nicht regelmäßig durch eine überfordernde Tarifpolitik einem unzumutbaren Belastungstest ihrer Wettbewerbsfähigkeit aussetzt. Doch so manches Unternehmen hegt hieran – auch wegen eines hier und da überzogenen Warnstreik-Gebarens – immer wieder neue Zweifel. Wenn dabei der Eindruck entsteht, die Gewerkschaft würde Betriebe für organisationspolitische Interessen missbrauchen, dann ist das ein beschwerlicher Weg, der am Ende des Tages viel Reputation kosten kann. Hat das Gros der Unternehmen zu befürchten, in den Tarifrunden einen Arbeitskampf nur noch verhindern zu können, 6 75 Jahre METALL NRW EDITORIAL

indem es immer wieder Lohnabschlüsse bis an die Grenzen seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit akzeptieren muss, dann ist dies ein schlechter Impuls für die Akzeptanz des Flächentarifs. Die IG Metall tut gut daran, dies in all ihren tarifpolitischen Überlegungen stets zu berücksichtigen. Das gilt vor allem dann, wenn Tarifpolitik manche Betriebe zu überfordern droht. Will die IG Metall den Flächentarif zukunftsfest gestalten, dann wird sie eines immer im Blick behalten: In einem Konvoi der M+E-Hochlohnflotte dürfen die kleineren oder langsameren Schiffe nicht abgehängt werden. Sonst fällt der Geleitzug auseinander. Die Folgen für den Flächentarif wären fatal: Unternehmen verlassen die Tarifbindung oder verlagern Arbeitsplätze ins kostengünstigere Ausland. Eine solche Entwicklung wäre auch aus einem anderen Grund schädlich: Die Mütter und Väter des Grundgesetzes wollten, dass Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften die Löhne und Arbeitsbedingungen in den Betrieben selbst aushandeln. Sie wollten zugleich, dass der Staat sich aus diesem Thema heraushält. Und doch mehren sich in der Praxis die Eingriffe des Staates: Die Debatten über die Einführung und Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns, das Tariftreue- und Vergabegesetz sowie die häufigen Diskussionen über die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen sprechen da für sich. Diese politische Einmischung ist gefährlich, weil sie sich vor Wahlen eher an Stimmungskurven von Demoskopen orientiert, als sich an die Richtlinien der Ordnungspolitik zu halten, weil sie das Subsidiaritätsprinzip verletzt und weil sich einmal verabschiedete Gesetze nur mühsam wieder ändern lassen, während Tarifverträge stets den Praxistest bestehen müssen – und zwar auf beiden Seiten. Mehr Eingriffe durch die Politik können also nicht im Sinne der Tarifvertragsparteien sein. METALL NRW muss immer wieder an sich selbst den Anspruch stellen, als mitgliederstärkster Verband von Gesamtmetall jederzeit die bundesweite tarifpolitische Debatte mitzuprägen. Doch unser Verband versteht sich zugleich auch als politische Stimme des bedeutendsten Industriezweigs des Landes. Dieses Gewicht bringen wir aktiv ein über unsere 26 Mitgliedsverbände auf regionaler Ebene, über unternehmer nrw auf Landesebene, über Gesamtmetall und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände auf Bundesebene sowie über Ceemet und Business Europe auf europäischer Ebene. Es ist auch dieses starke Netzwerk und letztlich 7 75 Jahre METALL NRW EDITORIAL

8 75 Jahre METALL NRW EDITORIAL Johannes Pöttering Hauptgeschäftsführer Arndt G. Kirchhoff Präsident auch dieses Alleinstellungsmerkmal unserer Verbände, mit dem die Anliegen unserer Unternehmen kraftvoll vertreten werden. 75 Jahre METALL NRW – das sind auch 75 zuweilen anstrengende Jahre des Miteinanders mit der größten Einzelgewerkschaft der Welt. Die IG Metall wird das umgekehrt ebenso sehen, dessen sind wir sicher! Was wir allerdings sagen können: Es war am Ende zumeist erfolgreich, sich immer wieder und – wenn nötig – auch nächtelang auf die Suche nach den größtmöglichen Gemeinsamkeiten zu begeben. Wir haben gelernt, dass moderne und verantwortungsvolle Tarifpolitik helfen kann, die großen wirtschafts- und sozialpolitischen Herausforderungen unserer Zeit im Konsens zu bewältigen. Und wir handeln stets in dem Wissen, dass am Ende einer jeden Auseinandersetzung immer die Möglichkeit auf ein gutes Anschlussgeschäft gegeben sein muss. Das macht Mut für die Zukunft! Wir freuen uns sehr, dass sich zahlreiche Persönlichkeiten aus Politik, Verbänden, Gewerkschaft und Medien bereit erklärt haben, ihre ganz persönlichen Gedanken zu Tarifpartnerschaft und Tarifautonomie für diese Schrift aufzuschreiben. Wir empfehlen sie Ihrer Lektüre!

9 75 Jahre METALL NRW EDITORIAL Bis 1976: Düsseldorfer Verbandsgeschäftsstelle von METALL NRW an der Humboldtstraße Seit 1976: Düsseldorfer Verbandsgeschäftsstelle von METALL NRW an der Uerdinger Straße Foto: Wikimedia CC BY-SA 3.0, Marek Gehrmann-Harrach Foto: METALL NRW

AUS DER POLITIK

75 Jahre METALL NRW! Zu diesem schönen und wichtigen Jubiläum gratuliere ich sehr herzlich. Der Verband der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen kann also auf eine lange Geschichte und ein Engagement für unser Land zurückblicken, das den Industriestandort Nordrhein-Westfalen maßgeblich mitgeprägt hat. Innovation und Fortschritt zeichnen diese 75 Jahre ebenso aus wie zahlreiche große Herausforderungen. Und gerade die werden nicht weniger. So kommt heute kein Lebensbereich mehr ohne Digitalisierung aus, und auch die Klimaziele sind in einem Industrieland wie Nordrhein-Westfalen nicht ohne die Mitglieder von METALL NRW zu erreichen. Der Klimaschutz ist die größte Aufgabe unserer Zeit. Wir müssen ihn gemeinsam anpacken. Denn nur, wenn wir zeigen, wie es gehen kann, werden andere folgen. Nur gemeinsam und durch den Einsatz neuer, innovativer Technologien werden wir die doppelte Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft hin zur Klimaneutralität entscheidend voranbringen. Dafür brauchen wir qualifizierte Fachkräfte. Ganz besonders müssen wir den Nachwuchs fördern, so wie METALL NRW das tut. In der Tarifpartnerschaft mit der IG Metall sorgen Sie seit Jahrzehnten erfolgreich für gute Arbeit und gute Ausbildung. Sie zeigen, dass Ihre Branche in der Lage ist, voranzugehen: bei Sozialpartnerschaft und Klimaschutz, bei Innovationen und gesellschaftlichem Engagement. Hendrik Wüst Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen GRUSSWORTE 12 75 Jahre METALL NRW AUS DER POLITIK

13 75 Jahre METALL NRW AUS DER POLITIK Hendrik Wüst MdL Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen Foto: Land NRW / Ralph Sondermann Um Nordrhein-Westfalen zum ersten klimaneutralen Industrieland zu machen, brauchen wir beides: Investitionen in Innovationen und hochqualifizierte Fachkräfte. Deshalb wird die Landesregierung alles daransetzen, die besten Rahmenbedingungen für erfolgreiches und nachhaltiges Wirtschaften zu schaffen. Weniger Bürokratie, schnellere Verfahren, bessere Bildung. In diesem Sinne wünsche ich METALL NRW und seinen Mitgliedern alles erdenklich Gute für die Zukunft. Wir werden sie gemeinsam mit Erfolg gestalten. Darauf freue ich mich. Nordrhein-Westfalen ist stolz darauf, ein führender, ein erfolg- und traditionsreicher Standort der Metall- und Elektroindustrie zu sein. Und Nordrhein-Westfalen ist stolz auf seine gesellschaftliche Stabilität garantierende Sozialpartnerschaft. Wenn nun der Verband der Metall- und Elektro-Industrie, der für diese erfolgreichen Branchen spricht und als Tarifpartner für sie verhandelt, sein 75-jähriges Jubiläum begeht, dann müssen Dank und Anerkennung am Anfang stehen. Über einen Zeitraum von 75 Jahren, in dem sich buchstäblich die ganze Welt mehrfach geändert hat, zu wirken, heißt, eine kluge Verbindung aus dem, was bleibt, und Mona Neubaur Stellv. Ministerpräsidentin und Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen

14 75 Jahre METALL NRW AUS DER POLITIK Mona Neubaur MdL Stellv. Ministerpräsidentin und Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen Foto: MWIKE / N. Brauer dem, was kommt, aufzubauen – die traditionsreiche Kompetenz und Wirtschaftsstärke zu erhalten und die Anforderungen der modernen Gesellschaft einzupflegen, Neues zu wagen. Für die Unternehmen, die sich in einer Stapelkrisenzeit der Herausforderung der doppelten Transformation mit dem Weg zur Klimaneutralität und dem Übergang zur digitalen Gesellschaft gegenübersehen, ist diese „Kompetenz in Sachen Wandel“ entscheidend. Das uns leitende Ziel, Nordrhein-Westfalen zu einer klimaneutralen, innovationsstarken und wettbewerbsfähigen Industrieregion zu entwickeln, ist nur mit großen gemeinsamen Anstrengungen möglich. Es braucht Mut, Kraft und Zusammenarbeit. Mit dem Industriepakt für Klimaneutralität und Wettbewerbsfähigkeit und dem Zukunftsdialog Industrie arbeiten wir gemeinsam mit der Wirtschaft daran, das Industriepolitische Leitbild weiterzuentwickeln und einen Transformationspfad für unser Land aufzuzeigen. Gerade in dynamischen Zeiten ist eine solide Basis des Handelns wichtig. Neue Wege in den Unternehmen – für eine klimaneutrale Produktion wie auch für eine moderne Arbeitswelt – brauchen weitsichtige unternehmerische Entscheidungen und eine motivierte Belegschaft. Diese neuen Wege werden nur auf dem festen Fundament gemeinsamen Vertrauens der Sozialpartner gegangen werden können. Die Tarifautonomie als eine wesentliche Stütze unserer Sozialen Marktwirtschaft ist für die Transformation des Industriestandortes Nordrhein-Westfalen ein wichtiger Faktor. Wenn sich die Welt ändert, braucht es umso mehr Verlässlichkeit. Auch für all dies steht METALL NRW. In diesem Sinne gratuliere ich METALL NRW herzlich zum Jubiläum und verbinde dies mit den besten Wünschen für unternehmerischen Erfolg und die weiterhin tragende Rolle bei allem, was kommt.

Es ist naheliegend, zum 75. Jubiläum Ihres Verbandes den zu Zeiten seiner Gründung amtierenden Ministerpräsidenten Karl Arnold zu zitieren. In einer Regierungserklärung sagte er mit Blick auf unser Land: „Das Land Nordrhein-Westfalen will und wird das soziale Gewissen der Bundesrepublik sein.“ Nordrhein-Westfalen ist ein industrielles Kernland, das zu den wirtschaftlich stärksten Regionen Europas zählt. Wir kennen uns mit großen Umbrüchen und tiefgreifendem Strukturwandel aus. Die in unserem Selbstverständnis tief verankerte Sozial- und Tarifpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften blickt auf eine lange, ereignisreiche und erfolgreiche Geschichte zurück. Tarifpolitik, Mitbestimmung und kooperative Ausbildungssysteme haben der deutschen Wirtschaft viele Wettbewerbsvorteile und der Gesellschaft Stabilität und Vertrauen verschafft. Der Grundstein für diese produktive Konfliktpartnerschaft, an dessen Zustandekommen viele Arbeitgeber der Metallindustrie maßgeblich mitbeteiligt waren, wurde 1918 mit dem Stinnes-Legien-Abkommen gelegt. Mit diesem Meilenstein wurde das Prinzip der Tarifautonomie etabliert, das die Geschichte unseres Landes bis heute positiv geprägt hat. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben sich die neu entstandenen Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie frühzeitig für die Einführung der damals noch heftig umstrittenen Sozialen Marktwirtschaft eingesetzt. Ihr Verbändeverband hat seit seiner Gründung immer wieder zukunftsweisende Initiativen entwickelt und Pilot-Abschlüsse mit der IG Metall und den Unternehmen verwirklicht. Dabei denke ich nicht nur an die zahlreichen Arbeitsplätze, die im In- und Ausland geschaffen und gesichert wurden, sondern auch an Ihre prägende Rolle als Verband auf Landesebene. Karl-Josef Laumann Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen 15 75 Jahre METALL NRW AUS DER POLITIK

16 75 Jahre METALL NRW AUS DER POLITIK Die Tarifautonomie ist die fest verankerte Grundlage unserer Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland. Sie setzt starke Verbände voraus, die sich der Funktionsweise des Tarifvertragssystems bewusst sind und die ein gemeinsames Verständnis für die ihnen übertragenen Aufgaben haben. Ihr Verband, der sein 75-jähriges Bestehen feiert, steht im Einklang mit den beschriebenen Anforderungen, auch wenn es – und das liegt in der Natur der Sache – mitunter heftige Differenzen bei der Frage der Weiterentwicklung der Flächentarifverträge gibt. Die lange Historie des Tarifvertragssystems ist einerseits eine solche der Fortentwicklung, andererseits aber auch der Beständigkeit. Mit seiner Gründung im Jahre 1948 und seiner Wirkung bis heute steht METALL NRW als Verbändeverband für beides, Entwicklung wie auch Beständigkeit. Zur Klarheit gehört aber auch: Die Sozialpartnerschaft hat in den letzten Jahren auch prägende und gestalterische Kraft eingebüßt. Es gilt aus meiner Sicht, in eine vertiefte und möglichst barrierefreie Diskussion darüber einzutreten, wie eine Neujustierung der Sozialpartnerschaft aussehen kann. Denn der Strukturwandel bleibt unsere gemeinsame Gestaltungsaufgabe: weltweiter Wettbewerb, Demographie, Fachkräftemangel, Digitalisierung, Handelskriege, strukturelle Umbrüche aufgrund der Klimakrise und Klimaschutz, um nur einige zu nennen. Ich bin mir sicher, dass Ihr tarifpolitischer Gestaltungswille dazu beitragen wird, die künftigen Herausforderungen zu bewältigen und zugleich an der Neujustierung der Sozialpartnerschaft zu arbeiten, um damit dieses Erfolgsmodell in NordrheinWestfalen weiter mit Leben zu füllen.

Karl-Josef Laumann MdL Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen Foto: MAGS NRW / Ralph Sondermann 1954 hat Karl Arnold einen Satz geprägt, der für die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen heute so aktuell ist wie damals: „Die Landesregierung wird es als ihre wichtigste Aufgabe ansehen, mit allen Organisationen der Wirtschaft und der Gewerkschaften engste Verbindung zu halten. In verständnisvollen Beratungen zwischen den Sozialpartnern soll versucht werden, alle auftretenden wirtschaftspolitischen Probleme zu klären.“ In diesem Sinne wünsche ich Ihnen für Ihre wertvolle Arbeit weiterhin viel Erfolg und gute Kompromisse. 17 75 Jahre METALL NRW AUS DER POLITIK

AUS DER TARIFPARTNERSCHAFT

20 75 Jahre METALL NRW AUS DER TARIFPARTNERSCHAFT Viele verbinden mit Nordrhein-Westfalen das Ruhrgebiet – jene Region, die von Beginn an eines der Zentren der Industrialisierung in Deutschland war. Doch Nordrhein-Westfalen ist so viel mehr, seine Industrie verteilt sich über das ganze Bundesland und bildet dessen große wirtschaftliche Stärke. Das Land zeichnet sich vom Sauerland bis Aachen und von Ostwestfalen bis Bonn durch eine starke, in vielen Regionen mittelständisch geprägte Industriestruktur aus. Unter den Unternehmen des Landes gibt es Hidden Champions im ländlichen Raum genauso wie Weltkonzerne in den Metropolen. Sie alle finden sich in ihren Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektro-Industrie zusammen und diese unter dem Dach von METALL NRW. Dort werden die unterschiedlichen Stärken und Herausforderungen der einzelnen Regionen zusammengebunden, so wie dies auf Bundesebene auch bei Gesamtmetall geschieht. Als der Arbeitgeber-Ausschuß Metall Nordrhein-Westfalen 1948 gegründet wurde, war Nordrhein-Westfalen noch keine zwei Jahre alt und Teil der britischen Besatzungszone. Das Land lag in Trümmern und die Industrieanlagen, die den Krieg überstanden hatten, wurden teils abgebaut und im Rahmen von Reparationsleistungen ins Ausland gebracht. Schon zu dieser Zeit schlossen sich Industrielle an Rhein und Ruhr zusammen, um Deutschlands Industrie wiederaufzubauen. Mit der Gründung des Deutschen Industrie-Instituts, dem heutigen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, setzten die Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen 1951 zudem Dr. Stefan Wolf – Präsident Gesamtmetall WICHTIGE WEICHENSTELLUNGEN IM WESTEN

21 75 Jahre METALL NRW AUS DER TARIFPARTNERSCHAFT ein Zeichen für Wissenschaft und Forschung, um den Wiederaufbau der Industrie akademisch zu begleiten. Wir von Gesamtmetall haben eine ganz besondere Beziehung zu Nordrhein- Westfalen und zu METALL NRW. Nicht nur fand Gesamtmetall 1954 eine Heimat in Köln, ehe wir 2003 nach Berlin gezogen sind. Von Hans Bilstein 1949 bis zu Martin Kannegiesser bis 2012 waren viele meiner Vorgänger im Amt des Gesamtmetall-Präsidenten Unternehmerpersönlichkeiten aus Nordrhein-Westfalen. Auch tarifpolitisch gab es immer wieder wichtige Weichenstellungen im Westen. Über die Jahrzehnte hat METALL NRW eine Reihe von Pilotabschlüssen erzielt, die wir heute als Meilensteine bezeichnen. Aus der jüngeren Vergangenheit sind hier unter anderem die Abschlüsse während der Welt-Finanzkrise und während der Corona-Pandemie zu nennen. Damit hat METALL NRW auch einen Beitrag zum sozialen Frieden in Krisenzeiten in diesem Land geleistet. Für mich ist es auch deshalb ein ganz besonderes Ereignis, wenn METALL NRW 75 Jahre alt wird. Persönlich freut mich sehr, dass die vorliegende Jubiläumsschrift neben der Historie besonders die Zukunft in den Fokus nimmt. Es ist heute an uns zu diskutieren, wie wir Tarifautonomie, Tarifpartnerschaft und damit auch den Flächentarif künftig leben wollen. Die Herausforderungen, vor denen unsere Industrie derzeit steht, sind gewaltig. Und diese werden wir mit immer weniger Köpfen bewältigen müssen. Der Fachkräftemangel ist schon heute in allen Unternehmen spürbar und wird sich aufgrund des demografischen Wandels weiter verschärfen. Die Abläufe in unserer Industrie werden komplexer und die Berufsbilder und Beschäftigungsformen vielfältiger. Die Beschäftigten unserer Industrie werden immer mehr zu Expertinnen und Experten ihrer ganz spezifischen Prozesse und Produkte. Diese Herausforderungen können wir nur gemeinsam bewältigen – die Unternehmer zusammen mit den Beschäftigten und den politischen Entscheidungsträgern. Wir wollen die Tarifautonomie sichern, den Flächentarif weiter stärken und damit auch künftig einen Beitrag zum sozialen Frieden in unserem Land leisten. Genau dafür – und für den Ansatz, dies gemeinsam zu erreichen – steht METALL NRW.

22 75 Jahre METALL NRW AUS DER TARIFPARTNERSCHAFT Dr. Stefan Wolf Präsident des Gesamtverbandes der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e.V. – GESAMTMETALL Foto: Gesamtmetall Wir haben alle Chancen, dass die Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen und in ganz Deutschland auch in den kommenden 75 Jahren das Rückgrat unserer Volkswirtschaft sein wird. Das erfordert Beharrlichkeit, Findigkeit und harte Arbeit, aber es geht – und schließlich haben es auch Rheinländer und Westfalen geschafft, ein Bundesland zu wirtschaftlicher Blüte zu führen, um ein Bonmot des Kölner Kabarettisten Jürgen Becker zu zitieren. Im Namen von Gesamtmetall wünsche ich METALL NRW alles Gute und weiterhin Glück auf!

23 75 Jahre METALL NRW AUS DER TARIFPARTNERSCHAFT Seit 75 Jahren eine starke Gemeinschaft von Unternehmen, das ist der Verband METALL NRW, der 1948 als Arbeitgeber-Ausschuß Metall Nordrhein-Westfalen gegründet wurde. METALL NRW steht mit seinen heute 26 regionalen Verbänden für über 2.000 Unternehmen mit mehr als 450.000 Beschäftigten. Sie leisten einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Metall- und Elektroindustrie heute das „Herz der Wirtschaft“ in NRW ist und in Zukunft auch sein wird. Ich freue mich über dieses Jubiläum und gratuliere persönlich sehr herzlich und im Namen der IG Metall NRW unserem Sozialpartner und allen, die zur Erfolgsgeschichte des Verbandes beigetragen haben. Ich möchte auch Danke sagen für 75 gemeinsame Jahre METALL NRW und IG Metall. Denn ein Blick zurück zeigt, dass unsere jeweilige Geschichte ohne einen selbstbewussten und starken Partner auf der anderen Seite nicht möglich gewesen wäre. Wir begegnen uns immer wieder – nicht nur am Verhandlungstisch. Sich ändernde wirtschaftliche Lagen, politische Entscheidungen oder unvorhersehbare Ereignisse erfordern ständig, dass wir gemeinsam nach Lösungen für die Unternehmen und ihre Beschäftigten suchen. In aller Bescheidenheit können wir feststellen, dass wir dank umsichtiger Tarif- und Betriebspolitik gute Arbeit für die Unternehmen und Beschäftigten in NRW geleistet haben. Ich erinnere mich noch gut an die Tarifrunde 2010. Damals war ich noch nicht lange Geschäftsführer der IG Metall Wuppertal und Mitglied in der Tarifkommission der IG Metall NRW. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hatte zu großen ökonomischen Verwerfungen geführt und zudem eine politische Vertrauenskrise hervorgerufen: Die Menschen glaubten den politischen und wirtschaftlichen Eliten nicht mehr. Vor diesem Hintergrund haben der damalige Präsident von METALL NRW, Horst-Werner Maier-Hunke, und mein Vorgänger, Oliver Burkhard, mit dem Tarifvertrag „Zukunft in Arbeit“ einen Pilotabschluss erzielt. Er stellte den Unternehmen hervorSOZIALPARTNERSCHAFT ALS STABILITÄTSANKER UND GESTALTUNGSKRAFT Knut Giesler – Bezirksleiter IG Metall NRW

24 75 Jahre METALL NRW AUS DER TARIFPARTNERSCHAFT ragende Instrumente zur Verfügung, um ohne Entlassungen das Tal der Krise zu überwinden. Dieser Abschluss war zudem eine wesentliche Grundlage dafür, dass die deutsche Wirtschaft gut durch diese Krise kam und sehr schnell wieder an alte Leistungsfähigkeit anknüpfen konnte. Dafür wurde uns national und international größter Respekt entgegengebracht. Was aber noch wichtiger war: Wir haben als Tarifpartner gezeigt, dass auf uns Verlass ist und dass wir in unsicheren Zeiten ein Stabilitätsanker für Wirtschaft und Gesellschaft sind. Damals hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass ich zehn Jahre später, gemeinsam mit dem Präsidenten von METALL NRW, Arndt G. Kirchhoff, vor einer vergleichbaren Situation stehen würde. Bei der ersten Verhandlung in der Tarifrunde 2020, am 12. März, stand noch im Mittelpunkt der Gespräche die eigentliche Forderung nach einem Tarifvertrag, der einen Rahmen für betriebliche Zukunftstarifverträge zur Gestaltung der Transformation bilden sollte. In den Tagen danach überschlugen sich die Ereignisse. Die Corona-Pandemie hatte plötzlich zu einem noch nie da gewesenen Stillstand in allen Lebensbereichen geführt. Die Politik war zunächst überfordert. Die Verunsicherung in Wirtschaft und Gesellschaft war groß. Schnell war klar: Der eingeschlagene Pfad in den Verhandlungen musste verlassen werden. Es musste das uns Mögliche getan werden, um den Menschen und Unternehmen in unsicheren Zeiten Sicherheit und Perspektiven für die Zukunft zu geben. So wurde kurzfristig entschieden, dass METALL NRW und IG Metall NRW versuchen sollten, ein Verhandlungsergebnis zu erzielen, dass diesen Kriterien gerecht wird. Dies gelang am 19. März 2020, eine Woche nach der ersten Verhandlung. Wir saßen im größten Saal von METALL NRW in kleiner Runde, jeweils vier Vertreter von beiden Seiten, mit großem Abstand zusammen. Die Verhandlungskommissionen wurden per Telefonkonferenzen auf dem Laufenden gehalten. Wir mussten auf Distanz gehen und sind doch zusammengerückt. Die Stimmung war angespannt, die Gespräche aber konstruktiv. In den späten Abendstunden gab es dann ein Ergebnis. Wir haben einen Tarifvertrag geschlossen, mit dem Beschäftigung und Einkommen geschützt wurden und ebenso Eltern sich um ihre Kinder kümmern konnten, wenn Kitas und Schulen geschlossen waren. Dieses Ergebnis gelang auch so schnell, weil wir ein Vorbild hatten: Die Tarifeinigung aus dem Jahr 2010. Sie diente als Blaupause.

25 75 Jahre METALL NRW AUS DER TARIFPARTNERSCHAFT Diese beiden Beispiele machen exemplarisch deutlich, wie viel eine durch starke Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften getragene Tarifpartnerschaft für die Menschen und Unternehmen bewegen kann und welch wichtiger Anker die Tarifautonomie in Deutschland ist. Sie machen deutlich, wie falsch einige lagen, als sie Anfang der 2000er Jahre die Tarifautonomie im Zeitalter der Globalisierung als Anachronismus bezeichneten und Tarifverträge gerne in einem Lagerfeuer verbrannt hätten. Denn als Tarifpartner beschreiben wir nicht nur die Probleme, wir sind in der Lage, Lösungen zu finden – auf Grundlage einer Zusammenarbeit, in der man sich als gleichberechtigte Partner aufeinander verlassen kann. Das gilt grundsätzlich für die Tarifpartner der Metall- und Elektroindustrie. In besonderer Weise gilt das aber sicher für die Tarifpartnerschaft in NRW. Wir vertrauen uns gegenseitig und wissen, dass wir ein Gemeinschaftsinteresse haben. Dieses haben wir immer im Blick. So sind auch unter schwierigsten Bedingungen Lösungen möglich. Dem Rest der „Metall- und Elektro-Republik“, der immer wieder mal skeptisch auf NRW und den „rheinischen Kapitalismus“ schaut, sei zur Beruhigung gesagt: Auch wir sind nicht immer einer Meinung. Auch unsere Beziehung ist nie konfliktfrei. Auch in NRW ist es oft geboten, dass wir uns nicht nur intern, sondern auch öffentlich kritisieren. Wie könnte es auch anders sein. Das ist unsere Aufgabe, weil wir jeweils unterschiedliche Interessen vertreten und dies mit dem jeweiligen Enthusiasmus und der Überzeugung machen. Aber ich denke, dass es eines geben muss, das uns als Gewerkschaft und Arbeitgeberverband eint: Das ist das Eintreten für die soziale Ausgestaltung unserer Wirtschaft. Sie war und ist die Grundlage für den Fortschritt dieses Landes – den menschlichen und den wirtschaftlichen Fortschritt. Der Konsens über die soziale Ausgestaltung unserer Marktwirtschaft gehört zum Grundverständnis eines jeden Demokraten. Dieses Grundverständnis, so meine Erfahrung, leben wir hier in NRW in besonderer Art und Weise. Auf dieser Grundlage ist es uns gelungen, das Leben und die Arbeit der Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in NRW zu verbessern. Damit haben wir auch immer einen Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen geleistet: Sei es durch ordentliche Entgelterhöhungen oder durch qualitative Elemente wie zum Beispiel den Tarifvertrag zur Übernahme nach der Ausbildung, den Tarifvertrag Bildung, den Tarifvertrag Zukunft, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungssicherung. Dazu gehört auch der Tarifabschluss 2018, der die Vereinbar-

26 75 Jahre METALL NRW AUS DER TARIFPARTNERSCHAFT keit von Berufsleben und Betreuungserfordernissen im Privaten verbessert durch die Einführung von Freistellungstagen, die statt der Sonderzahlung T-ZUG genommen werden können. Gute Arbeitsbedingungen haben positive Auswirkungen im Wettbewerb um die Fachkräfte der Zukunft. Das wird leider manchmal auf Arbeitgeberseite vergessen. Darüber hinaus haben wir es in den letzten zwei Jahrzehnten gemeinsam geschafft, dass aus dem starren Gerüst Flächentarifvertrag ein wandlungsfähiger Organismus geworden ist. So gibt es zum Beispiel seit 1997 zunehmend betriebliche Differenzierungsmöglichkeiten. Mit der Gelsenkirchener Tarifvereinbarung („Pforzheim“-Abkommen) sind unter bestimmten Voraussetzungen Abweichungen von der Fläche möglich. Vor diesen Hintergründen wird mir manchmal nach Tarifergebnissen in der öffentlichen und internen Bewertung zu voreilig von Gewinnern oder Verlierern gesprochen. Ich bin davon überzeugt, dass eine gute Tarifpartnerschaft nur Gewinner hervorbringt. Weil wir gemeinsam immer wieder neue Wege gehen, echte soziale Fortschritte erstreiten und verhandeln, die der Branche, den Betrieben und den Beschäftigten zugutekommen. Diesen Rückblick mache ich nicht, um uns selbstverliebt im Spiegel zu betrachten. Nur wer weiß, wo er herkommt, welche Voraussetzungen für Erfolge wichtig waren, kann wissen, was für die Zukunft wichtig ist. Gerade in Zeiten, in der viele Säulen unseres Gemeinwesens ins Wanken geraten sind, ist es unsere Aufgabe als Demokraten, die starke Säule der Tarifautonomie zu sichern. Wir stehen vor der großen Aufgabe, die ökologische und digitale Transformation unserer Industrie zu gestalten. Ich bin davon überzeugt, dass wir dafür schon erste richtige Antworten haben. Die Agentur für Transformation ist ein Beispiel dafür. Im Herbst dieses Jahres wird sie auf Grundlage des Tarifergebnisses von 2021 eingerichtet und Unternehmen und Beschäftigte bei der Bewältigung der Transformation unterstützen. Und da, wo es neue Lösungen zur Gestaltung der Transformation braucht, werden wir sie gemeinsam finden. Was mir viel mehr Sorge bereitet, ist die Frage, ob es uns gelingt, den weiteren Rückgang der Tarifbindung zu stoppen. Die Reichweite dessen, was wir gemeinsam vereinbaren, darf nicht noch mehr zurückgehen. Für Beschäftigte führt dies tendenziell

27 75 Jahre METALL NRW AUS DER TARIFPARTNERSCHAFT Knut Giesler Bezirksleiter der IG Metall in Nordrhein-Westfalen Foto: IG Metall zu schlechteren Arbeitsbedingungen und zu großen Differenzen zwischen den Entgelten. Für Unternehmen entsteht dadurch ein Wettbewerb über Entgelte statt über Innovation und Effizienz. Die Attraktivität für Fachkräfte und Hochqualifizierte nimmt ab. Die gesamte Gesellschaft würde in einen Abwärtsstrudel geraten, weil Tarifentgelte als Maßstab für gute Arbeit und soziale Sicherheit abnehmen. Zudem gerät die Finanzierung des Sozialstaates ins Wanken. Darum sehe ich es als unsere wichtigste Aufgabe in den kommenden Jahren, die Sicherung und den Ausbau der Tarifbindung voranzutreiben. Da haben wir jeweils unsere Hausaufgaben in der Mitgliedergewinnung zu machen. METALL NRW und seine Mitgliedsverbände müssen dem Wechsel vieler Betriebe in den OT-Bereich („ohne Tarif“) stärker entgegentreten. Dafür können wir mit guter und zeitgemäßer Tarifpolitik und Vorteilen für Verbandsmitglieder werben. Denn uns verbindet eine gemeinsame Aufgabe und eine gemeinsame Verantwortung: für den Industriestandort NRW, für die Unternehmen und ihre Beschäftigten, für gute Arbeitsbedingungen und Wettbewerbsfähigkeit. Die IG Metall wird sich dafür weiterhin kraftvoll einsetzen – und sicher manchmal auch kraftvoller, als es METALL NRW lieb ist.

AUS DEN REGIONEN

30 75 Jahre METALL NRW AUS DEN REGIONEN DIE 26 MITGLIEDSVERBÄNDE Region Bergisches Land Arbeitgeber-Verband von Remscheid und Umgebung e.V. Fachgruppe Metall – Remscheid Arbeitgeberverband Solingen e.V. – Solingen Arbeitgeberverband der Metallindustrie von Wuppertal und Niederberg e.V. – Wuppertal Region Münsterland/OWL Unternehmerverband der Metallindustrie Ostwestfalen Bielefeld – Herford – Minden e.V. – Bielefeld Arbeitgeberverband Lippe e.V. Fachgruppe Metall- und Elektro-Industrie – Detmold Verband der Metall- und Elektroindustrie für den Kreis Gütersloh e.V. – Gütersloh Verband Münsterländischer Metallindustrieller e.V. – Münster Arbeitgeberverband für die Metall- und Elektroindustrie Paderborn/Höxter e.V. – Paderborn Region Rheinland Unternehmerverband der Metall- und Elektroindustrie Aachen – Aachen Arbeitgeberverband Bonn und Rhein-Sieg-Kreis e.V. Fachgruppe Metall – Bonn Arbeitgeberverband der Metallindustrie von Düren, Jülich, Euskirchen und Umgebung e.V. – Düren Arbeitgeberverband Metall- und Elektroindustrie Düsseldorf und Umgebung e.V. – Düsseldorf kölnmetall – Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie Köln e.V. – Köln Unternehmerschaft Metall- und Elektroindustrie Niederrhein e.V. – Krefeld Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie Rhein-Wupper e.V. – Leverkusen Unternehmerschaft der Metall- und Elektroindustrie zu Mönchengladbach e.V. – Mönchengladbach

Die bergische Region ist geprägt durch seine vielen familiengeführten mittelständischen Betriebe, die vor allem in der Metall- und Elektroindustrie tätig sind. Es ist nicht überraschend, dass sich auch die drei Arbeitgeberverbände, die diesen Industriezweig in Wuppertal, Remscheid und Solingen vertreten, der Wahrung der Interessen des Mittelstands besonders verpflichtet fühlen. Selbst mittelständische Unternehmer, liegt es sozusagen in unserer DNA, als Vorsitzende dieser drei Verbände dafür zu sorgen, dass mittelständische Anliegen in den Tarifverhandlungen Berücksichtigung finden. 31 75 Jahre METALL NRW AUS DEN REGIONEN Dr. Roman Diederichs | Horst Gabriel | Michael Vitz – Bergisches Land GEMEINSAM TARIFPOLITIK FÜR DIE BERGISCHE REGION GESTALTEN Region Ruhrgebiet Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie Ruhr/Vest e.V. – Bochum Unternehmensverband der Metallindustrie für Dortmund und Umgebung e.V. – Dortmund Unternehmerverband der Metallindustrie Ruhr-Niederrhein e.V. – Duisburg Essener Unternehmensverband e.V. Fachgruppe Essener Unternehmensverband Metall/Elektro – Essen Arbeitgeberverband der Eisen- und Metallindustrie Emscher-Lippe e.V. – Gelsenkirchen Region Südwestfalen Unternehmensverband Westfalen-Mitte e.V. – Arnsberg/Hamm Märkischer Arbeitgeberverband e.V. – Iserlohn/Hagen Arbeitgeberverband Lüdenscheid e.V. – Lüdenscheid Arbeitgeberverband für den Kreis Olpe e.V. – Fachgruppe Metall – Olpe Verband der Siegerländer Metallindustriellen e.V. – Siegen

32 75 Jahre METALL NRW AUS DEN REGIONEN Werkzeuge, Schneidwaren, Automotive und Maschinenbau sind in der bergischen Region tief verwurzelt. Mit Investitionen und viel Unternehmergeist haben es diese Mittelständler geschafft, zu Hidden Champions in ihren Bereichen zu werden und die Produkte weltweit erfolgreich zu verkaufen. Um wettbewerbsfähig bleiben zu können, müssen auch tarifpolitisch richtige Weichen gestellt sein. Wir sind überzeugt, dass sich die Tarifpolitik immer wieder neu bewähren muss. Ihr muss es gelingen, die vielschichtigen Herausforderungen aller Unternehmen in allen Regionen zu berücksichtigen. Denn der ohnehin schon starke internationale Wettbewerbsdruck hat noch einmal massiv zugenommen. Die Qualität und Attraktivität von Standorten wird immer mehr zum wichtigsten Parameter für Investitionsentscheidungen von Unternehmen. Da spielen nicht nur die Energiekosten, sondern auch die Arbeitskosten eine entscheidende Rolle. Und dabei kommt es auf die Tarifpolitik an. In der Vergangenheit war es häufig der „Geist von Bad Driburg“, der den Arbeitgebern in Bad Driburg auf den Klausurtagungen erschien und sie zu Höchstleistungen anspornte. Tarifverhandlungen können oft zäh sein, oftmals liegen die Positionen weit auseinander. Nicht selten erleben wir Situationen, in denen wir nicht wissen, ob wir die Differenzen werden ausräumen können. Doch wenn wir auf die vielen Jahre der Tarifpolitik in Nordrhein-Westfalen zurückblicken, dann lässt sich feststellen, dass es am Ende immer wieder gelingen konnte, auch konfliktreiche Runden zu lösen. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sitzen letztlich immer in einem Boot – und wir haben den Eindruck, das weiß auch die IG Metall. Wenn die Tinte trocken und das Tarifergebnis erzielt ist, scheinen Erfolg und Misserfolg oft nah beieinander zu liegen. Dabei geht es gar nicht um Gewinnen und Verlieren. Sichtbar wird dies besonders in Tarifrunden, die in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten stattfinden. Unternehmen fürchten um ihre Wettbewerbsfähigkeit, Mitarbeiter sorgen sich um ihre Arbeitsplätze. Gerade dann kommt es darauf an, dass Sozialpartnerschaft funktioniert. Wie in den Jahren 2020 und 2021, als Tarifabschlüsse vereinbart wurden, die genau von diesem Geist getragen waren. Es waren die sogenannten Corona-Tarifrunden. Im Düsseldorfer Hilton-Hotel traf man sich zur entscheidenden Verhandlung. Alles

33 75 Jahre METALL NRW AUS DEN REGIONEN war nur in einem verkleinerten Kreis möglich. Alle Teilnehmer mussten sich vorab einem Coronatest unterziehen. Die Umstände waren also alles andere als gewöhnlich – für beide Seiten. Doch eines wurde schnell klar: Es gab dieses gemeinsame Verständnis der Sozialpartner, dieser Krise mit einem Abschluss zu begegnen, der den beiderseitigen Interessen gerecht wird. Wettbewerbsfähigkeit stärken, Beschäftigung und Einkommen sichern. Es ging auch darum, die Sorgen der jeweils anderen Seite ernst zu nehmen. Das ist uns in Nordrhein-Westfalen mit dem Pilotabschluss gelungen. Diesen Geist sollten wir uns auch für Tarifverhandlungen in der Zukunft bewahren, gerade dann, wenn sich abzeichnet, dass eine Lösung mal wieder schwierig werden könnte. Die Arbeitgeberverbände im Bergischen Land sind überzeugt, dass sich die Sozialpartnerschaft immer wieder aufs Neue bewähren muss. Die bergischen Unternehmen stehen derzeit vor multiplen Krisen, die in der Summe als noch größer zu bewerten sind als die Corona-Pandemie: Unsere Unternehmen kämpfen gleichzeitig mit hoher Inflation bei Nullwachstum. Zugleich sind zentrale Herausforderungen zu bewältigen wie die Herstellung der Klimaneutralität, die Digitalisierung der Prozesse wie auch der demografische Wandel. Gerade der Fachkräftemangel ist in all unseren Betrieben allgegenwärtig. Wir sind überzeugt, dass es zukünftig noch wichtiger sein wird, in einer großen starken Gemeinschaft Lösungen zur Bewältigung großer Herausforderungen zu finden. Dies geht nur gemeinsam mit der IG Metall. Hierfür steht auch die starke Gemeinschaft mittelständischer Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie im Bergischen Land. Wir setzen weiterhin auf Tarifbindung und eine lösungsorientierte Sozialpartnerschaft. Horst Gabriel Vorsitzender Arbeitgeberverband Solingen e.V. Dr. Roman Diederichs Vorsitzender der Fachgruppe Metall im Arbeitgeber-Verband von Remscheid und Umgebung e.V. Michael Vitz Vorsitzender Arbeitgeberverband der Metallindustrie von Wuppertal und Niederberg e.V. und Vertreter der Region Bergisches Land bei METALL NRW Foto: vbu

34 75 Jahre METALL NRW AUS DEN REGIONEN Gerade in so stark durch inhabergeführte heimische Industriebetriebe geprägten Regionen wie Ostwestfalen-Lippe und Münsterland sind die Beziehungen zwischen Unternehmern und Belegschaften besonders eng und ist der soziale Frieden daher ein äußerst hohes Gut. METALL NRW als Gemeinschaftseinrichtung der NRWMetallarbeitgeberverbände kommt die wichtige Aufgabe zu, die gemeinsame Tarifpolitik zu koordinieren und im Zusammenwirken mit dem Tarifpartner einen fairen Interessenausgleich zu organisieren, der eine belastbare Grundlage für den sozialen Frieden in den Betrieben bildet. Dieses ist in den 75 Jahren trotz sich stark wandelnder Rahmenbedingungen und bei allen Herausforderungen in der Auseinandersetzung mit dem Tarifpartner gelungen. Der Großteil der industriellen Investitionsentscheidungen, die die Unternehmen in Ostwestfalen-Lippe sowie dem Münsterland treffen, werden vor Ort getroffen und sind ohne stabile, langfristig tragfähige Rahmenbedingungen nicht denkbar. Unsere gemeinsame Tarifpolitik sichert mit ihrer langjährigen Verlässlichkeit diese Unternehmerentscheidungen und leistet zugleich einen essentiellen Beitrag für Beschäftigung und Ausbildung in unseren Regionen sowie für Wachstum und Wohlstand unserer Gemeinwesen. Diesen Zusammenhang in der Diskussion mit anderen gesellschaftlichen Kräften wachzuhalten, für industriefreundliche Standortbedingungen sowie die Soziale Marktwirtschaft einzutreten, vereint METALL NRW und seine Mitgliedsverbände in der industrie- und gesellschaftspolitischen Aufgabenstellung. Die Gestaltung von Arbeitsbeziehungen durch Tarifpolitik ist keine statische Aufgabe und muss sich ständig von Neuem bewähren. METALL NRW hat sich im tarifpolitischen Gesamtkonzert mit den übrigen Landesverbänden als unermüdlicher Motor der kontinuierlichen Anpassung der tariflichen Regelungen an die Entwicklungen der Branche sowie der Industrie insgesamt verschrieben und diese an Dr.-Ing. Ernst Wolf – Münsterland/OWL FLÄCHENTARIF MUSS MITTELSTANDSTAUGLICHER WERDEN

35 75 Jahre METALL NRW AUS DEN REGIONEN maßgeblicher Stelle, sei es über wichtige Pilotabschlüsse oder über die Mitwirkung an wichtigen grundlegenden Vereinbarungen, vorangetrieben. Die Arbeit am Entgeltrahmenabkommen oder am heutigen Tarifvertrag Beschäftigungssicherung und Wettbewerbsfähigkeit können als Ausweis der nötigen Fähigkeit und Bereitschaft zur Modernisierung und Reformierung des Tarifwesens gewertet werden. Mit seinem tarifpolitischen Leitbild hat METALL NRW im Jahre 2019 einen Masterplan für die künftige Tarifpolitik beschlossen, an dem die Verbände unserer Tarifregion Münsterland/OWL maßgeblich mitgewirkt haben. Kernaufgabe dieses Leitbildes ist es, den Flächentarifvertrag der M+E-Industrie u. a. durch modulare und optionale Elemente, aber auch effiziente Differenzierungsmöglichkeiten und ertragsabhängige Entgeltbestandteile zukunftsfest und mittelstandstauglicher zu machen. Weitere Zielsetzung ist der Einsatz für anwenderfreundliche Tarifverträge unter Vermeidung überkomplexer Regelungenen sowie die konsequente Überarbeitung gewachsener Tarifstrukturen. Die seitdem unter Mitwirkung von METALL NRW erzielten Tarifabschlüsse tragen diesen 2019 formulierten Grundsätzen Rechnung und weisen auch für die Zukunft in die richtige Richtung. Es bleibt die Herausforderung für METALL NRW und die regionalen Mitgliedsverbände, sich mit dem Tarifpartner IG Metall weiter auf die sozialpartnerschaftliche Fortsetzung der Erfolgsgeschichte der M+E-Tarifpolitik zu verständigen, die beidseitige Tarifbildung zu erhalten sowie auszubauen und die Tarifautonomie zu erhalten. In diesem Sinne gratuliere ich Ehren- und Hauptamt von METALL NRW zu 75 Jahren Verbandsarbeit, an der ich seit 2006 als Vorsitzender unseres Verbandes sowie langjähriges Mitglied von Vorstandsrat und Präsidium teilgenommen habe, und wünsche auch für die Zukunft viel Kraft, Energie und Erfolg. Dr.-Ing. Ernst Wolf Vorstandsvorsitzender Verband der Metall- und Elektroindustrie für den Kreis Gütersloh e.V. und Vertreter der Region Münsterland/OWL bei METALL NRW Foto: MVGT

36 75 Jahre METALL NRW AUS DEN REGIONEN Zum 75-jährigen Jubiläum gratuliere ich METALL NRW ganz besonders herzlich. Über so viele Jahrzehnte auch in schwierigen und herausfordernden Zeiten zu bestehen, ist ein klares Zeichen für Stabilität, Zuverlässigkeit und – wie man heute sagen würde – Nachhaltigkeit, zeigt aber vor allem, wie wichtig ein Zusammenschluss von Verbänden für die Unternehmen in unserem Land nach wie vor ist. Und dies wird in besonderer Weise in den Tarifrunden deutlich. Seit nunmehr zehn Jahren begleite ich die Tarifverhandlungen für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen in meiner Funktion als Vizepräsidentin von METALL NRW und Vorstandsvorsitzende von kölnmetall. Diese Aufgabe habe ich stets mit Freude ausgeführt, auch wenn bei manchen Tarifgesprächen die Freude nicht gerade überwog. Doch mir war die Bedeutung der Tarifrunden nicht nur als eine wirtschaftliche, sondern als gesamtgesellschaftliche Aufgabe immer wichtig – sind sie doch letztlich ein Garant für die Erhaltung des sozialen Friedens in unserem Land und ein Kernelement der Sozialen Marktwirtschaft. Auch das sollte man immer im Blick behalten. In der Tarifrunde 2022/23 konnte man dies erneut beobachten: extrem strapazierte Unternehmen auf der einen Seite, gebeutelt durch die kriegsbedingten Preissteigerungen bei Energie- und Rohstoffkosten, und die Beschäftigten auf der anderen Seite, die ebenfalls massiv unter der hohen Inflation und den explodierenden Kosten zu leiden hatten. Beiden Gruppen gerecht zu werden, war nur in einem verantwortungsvollen Miteinander der Sozialpartner zu lösen. Ich gebe zu, es war eine der herausforderndsten Tarifrunden der vergangenen Jahre, die für viele Unternehmen ein schwieriges und auch schmerzhaftes Ergebnis hervorgebracht hat. Dr. Margarete Haase – Rheinland KOMMUNIKATION – DER KRITISCHE ERFOLGSFAKTOR VON TARIFRUNDEN

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